Die Mittelschicht zahlt, Milliardäre zahlen nicht. Eine neue Studie des EU Tax Observatory zeigt, wie ungerecht Steuern weltweit erhoben werden.
Von Ulrike Herrmann
Was haben die jüngsten internationalen Steuerreformen gebracht? Konnten sie die Steuerflucht bekämpfen? Das wusste bisher niemand. Seit 2017 gibt es den automatischen Austausch von Bankdaten, und 2021 wurde eine globale Mindeststeuer für Unternehmen eingeführt. Jetzt haben Ökonomen des EU Tax Observatory die Resultate erstmals bilanziert.
Immerhin einen Erfolg gibt es zu vermelden: Für reiche Privatpersonen ist es schwieriger geworden, ihr Vermögen in Steueroasen zu verstecken, weil der internationale Datenaustausch tatsächlich greift. Die individuelle Steuerflucht sei um etwa zwei Drittel zurückgegangen. Für den französischen Ökonomen Gabriel Zucman beweist das: „Steuerflucht lässt sich effizient bekämpfen, wenn es den politischen Willen gibt.“
Zucman leitet das EU Tax Observatory, das an der Paris School of Economics angesiedelt ist und von der EU teilweise finanziert wird. Zucman ist eine Art Wunderkind der Wirtschaftswissenschaften. Der heute 36-jährige hat bereits vor zehn Jahren bahnbrechende Studien zur globalen Steuerflucht vorgelegt, wofür ihm jetzt die John-Bates-Clark-Medaille verliehen wurde. Neben dem Nobelpreis ist diese Medaille die wichtigste Auszeichnung in der Ökonomie.
An Zucmans neuer Studie haben weltweit rund hundert Wissenschaftler mitgewirkt. Eines ihrer weiteren Ergebnisse ist, dass die globale Mindeststeuer für multinationale Konzerne bisher ein Flop ist. Der Plan sah vor, dass alle Konzerne mindestens 15 Prozent Gewinnsteuern zahlen sollten, was das weltweite Aufkommen um knapp zehn Prozent steigern sollte. Doch die Einnahmen haben global nur um etwa drei Prozent zugenommen, weil zahlreiche neue Schlupflöcher geschaffen wurden.
Krasse Ungerechtigkeit gefährdet Demokratie
Das größte Problem ist jedoch, dass die Milliardäre kaum besteuert werden – woran vor allem ihre Heimatländer schuld sind. Die Superreichen dürfen zu Hause Holdings gründen und dort ihr Einkommen verstecken. Die Steuerlast für die Milliardäre entspricht lächerlichen 0 bis 0,5 Prozent ihres Gesamtvermögens.
Die Mittelschicht zahlt, die Milliardäre nicht. „Diese krasse Ungerechtigkeit gefährdet unsere Demokratie“, warnt Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, der ein Vorwort zur Studie beigesteuert hat.
Zucman schlägt daher vor, eine globale Mindeststeuer auch für Milliardäre einzuführen, die zwei Prozent des Vermögens entspricht. „Das ist der logisch nächste Schritt nach der globalen Mindeststeuer für Unternehmen.“ Weltweit wären weniger als 3.000 Milliardäre betroffen – was aber jährlich knapp 250 Milliarden Dollar an Steuern bringen würde.
Parallel zur Studie erscheint ein „Atlas der Steueroasen“, der erstmals die Steuerflucht in jedem Land dokumentiert (atlas-offshore-world.org). Das Ergebnis: Deutschland verliert bei den Gewinnsteuern mehr Einnahmen als jedes andere Land auf dieser Welt, denn der Schwund liegt hierzulande bei 26,2 Prozent. In Großbritannien fehlen 25,1 Prozent, in Costa Rica 24,8 Prozent und in Ungarn 24,5 Prozent. In den USA hingegen beträgt die Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit nur 11,9 Prozent.Auch bei den Steueroasen führt Europa, wie dem Atlas zu entnehmen ist: Irland, die Niederlande, Luxemburg und die Schweiz helfen Unternehmen sehr gern dabei, Steuern zu vermeiden.
Wahrscheinlich keine große Überraschung für viele hier aber mit ein paar Fakten lässt es sich oft einfacher argumentieren gegen krude neo-liberale Ideen
Sind die Fakten nicht bekannt? Wie bei Klimawandel, Migration und allem anderen wo die wissenschaft bescheid weiß. Wie man die kollektive kognitive Dissonanz im Zusammenspiel mit plumper Meinungsmache überwinden kann ist das Rätsel auf das es keine Antwort gibt.
Hier der Link zum Bericht des EU Tax Observatory, der im Artikel besprochen wird: https://www.taxobservatory.eu/publication/global-tax-evasion-report-2024/
Und ganz am Rande: Ich merke, dass es mir so langsam auf den Keks geht, dass man im Oktober 2023 seinen Bericht schon als 2024er-bericht titulieren muss, um langfristig Relevanz zu suggerieren. Meine NGO macht diese Dinge aus denselben Gründen und mir fällt auch keine Lösung ein, aber was Hartmut Rosa wohl dazu sagen würde…
Ich wäre übrigens auch deutlich reicher, wenn ich keine Steuern zahlen würde
Die öffentliche Infrastruktur ist teil deines Vermögens. Gehört zwar nicht dir, nutzt du aber trotzdem.
Und weil der Staat verschuldet ist, sind seine Schulden auch meine, aber ja nicht den Milliardären!
Die schulden der Milliardäre sind auch deine Schulden. Siehe bankenkriese.
Einführung einer Vermögenssteuer zur Finanzierung des ökologischen und sozialen Wandels
Zählung: https://citizens-initiative.europa.eu/initiatives/details/2023/000006_de
Da fehlen noch ein paar…
Überraschte Stromratte bitte hier vorstellen…